Bye bye Perfektionismus! Wie du dich vom Perfektionismus in der Erziehung verabschieden kannst (2/2)
Im letzten Artikel ging es um die Frage, ob du selbst perfektionistisch bist und ob das Ausmaß an Perfektionismus resilienzfördernd ist oder deine Widerstandskraft hemmt (#Resilienz). In diesem Artikel geht es darum, ob du in deiner Rolle als Mama oder Papa perfektionistisch bist und ob du von deinem Kind bewusst oder unbewusst Perfektionismus einforderst. Wieviel Perfektionismus ist gut für dein Kind? Hier erhältst du Antworten.
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Da du dein Kind liebst, möchtest du grundsätzlich natürlich auch nur das Beste für deinen kleinen Schatz. Nur führt dieses Denken manchmal dazu, dass automatisch eine sehr hohe Messlatte an ein Kind und dessen Fähigkeiten gelegt wird:
„Ich möchte, dass mein Kind schon im Kindergarten mit einer Fremdsprache beginnt und diese trainiert, damit es in der Schule hervorragende Noten erzielt; ich möchte, dass mein Kind in der Schule ganz viel Wissen erwirbt, damit es einen hervorragenden Abschluss erzielt; ich möchte, dass mein Kind einen hervorragenden Abschluss erzielt, damit es mal viel Geld verdient, um eine eigene Familie haben zu können und gleichzeitig auch genügend Geld zu haben, damit es etwas für seine Rente tun kann..."
Überlege dir an dieser Stelle gerne selbst mal eine Gedankenkette von dem, was du dir alles für dein Kind wünschst.
Diese Kette von dem, was du dir für dein Kind alles wünschen würdest, kann man wohl immer weiter spinnen. Auffallend ist an meiner Gedankenkette die Formulierung „ich möchte". Grundsätzlich ist es auch nichts Verwerfliches, dass du dir als liebendes Elternteil Gedanken um und über dein Kind machst und dann auch zu derartigen Formulierungen greifst. Problematisch ist hieran allerdings die Outputorientierung (also das, was für dein Kind am Ende einer Handlung herauskommen soll) sowie das Interesse, das wir unserem Kind „einfach" unterstellen.
Uns interessiert häufig nur das, was am Ende bei all den Bestrebungen herauskommen soll und dieser Output ist zudem auch noch in vielen Fällen von uns selbst als erstrebenswert beurteilt worden, liegt aber vielleicht gar nicht im wirklichen Interesse des Kindes. In solchen Fällen, kann ein Kind durch den Perfektionismusgedanken, der an einem zumeist gesellschaftlichen Ideal ausgerichtet wird, innerlich zerbrechen und krank werden. Dieses Denken schadet einem Kind, zerstört seine Resilienz.
Inwiefern wird die Resilienz deines Kindes durch zu viel Perfektionismus beeinträchtigt?
Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich der Blick auf das, was dein Kind innerlich stark macht: Hierzu gehören vor allem Wertschätzung, Sinnstiftung (das, was man tut, macht für einen Sinn und erfüllt einen) und die Einbindung in eine Gemeinschaft, in der man sich angenommen fühlt - und zwar genau so, wie man ist!
Die Leidenschaft, Begeisterung, Liebe und Hingabe, die dein Kind während den einzelnen Lebensphasen entwickeln und leben sollte, spielen im Perfektionismusdenken häufig eine zu geringe Rolle. Dabei ist genau das das Wichtigste: Wenn dein Kind Freude am Lernen hat und sich voller Begeisterung den Dingen in seiner Umgebung widmet, dann ist es glücklich und verschmilzt mit den Anforderungen, die an es gestellt werden. Wenn es aber das Gefühl hat, dass der Prozess als solcher egal ist, dass es beispielsweise wichtiger ist Qualen und Hürden zu überwinden, als sich mit Begeisterung in eine Sache zu vertiefen, dann wird es nicht glücklich sein und wird unter dem Gedanken des Perfektionismus leiden.
Oftmals ist es so, dass wir Erwachsenen, da wir ja selbst zumeist im Hamsterrad von Perfektion und Leistungsdruck leben, gar nicht merken, wie sehr wir unsere Kinder schon mit unserem Perfektionismus angesteckt haben. Unsere Kinder übernehmen das Perfektions- und Leistungsdenken von uns, da sie täglich von uns lernen und unsere Strategien, Redewendungen und Glaubenssätze verinnerlichen.
Hier gilt:
Nur wenn du dir als Mutter oder Vater selbst den Erfolgsdruck nimmst, wirst du dein Kind vor einem übertriebenen Perfektionismusdenken bewahren können.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch kurz auf zwei Phänomene aufmerksam machen, die mit einer elterlichen Perfektionismusanforderung oftmals bewusst oder unbewusst einhergehen:
Erstens möchte ich auf das Phänomen der Symbiose (Verschmelzung) von Elternteil und Kind hinweisen, bei der der elterliche Wunsch zugrundeliegt, sich selbst durch das eigene Kind verwirklichen zu können und Dinge zu erreichen, die man selbst nicht geschafft hat, aber gerne geschafft hätte.
Das Motto lautet hier:
Mein Kind soll das schaffen, was ich selbst nicht geschafft habe!
Vor einer solchen Symbiose des Kindes mit dem Erwachsenen möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich warnen, da sie ganz gefährliche Auswirkungen für die Persönlichkeitsentwicklung sowie den Selbstwert deines Kindes haben kann. Solltest du an dieser Stelle merken oder auch nur ein dumpfes Gefühl haben, dass das in deiner Eltern-Kind-Beziehung der Fall sein könnte, dann wäre es wirklich wichtig, dass du dir hier jemanden suchst, der dich darin beraten kann, wie du diese Symbiose aufdeckst und konstruktiv verändern kannst.
Ein zweiter, sehr gefährlicher psychologischer Mechanismus, durch den die Resilienz deines Kindes beeinträchtigt werden kann, ist die sogenannte destruktive Parentifizierung.
Bei der Parentifizierung wird die soziale Rolle zwischen dem Elternteil und dem Kind verkehrt und das Kind fühlt sich dazu verpflichtet in die Rolle eines oder beider Elternteile zu schlüpfen.
Die destruktive Parentifizierung führt dazu, dass ein Kind solche Verhaltensweisen und Tätigkeiten ausführt, die nicht kindgerecht sind, die es also zum jeweiligen Entwicklungszeitraum, in dem es sich befindet, überfordern. Bei der Parentifizierung wird das Kind in die Rolle gedrängt, etwas für den Erwachsenen zu übernehmen, was dieser alleine oder mit seinem Partner/seiner Partnerin nicht tragen kann.
Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn sich Kinder in einem übertriebenen Maße um Geschwister kümmern müssen, um Personen, die krank sind oder wenn sie mit in elterliche Konflikte hineingezogen werden, die eigentlich unter den Eltern selbst ausgemacht werden müssten und keineswegs über die Köpfe der Kinder hinweg diskutiert werden sollten (dabei wird das Kind oftmals auch als Verbündeter des Erwachsenen betrachtet oder implizit/explizit dazu aufgefordert Partei zu ergreifen).
Die vielleicht zugrundeliegende Verharmlosung und die Vorstellung davon, dass ein Kind die Parentifizierung aushalten solle und auf diese Weise auf das Leben vorbereitet werden würde (obwohl man es ja als Erwachsener selbst nicht schafft, die Dinge im Sinne des Kindes anders und vor allem eigenständig zu bewältigen), hinterlassen schlimme Folgen in der Seele eines Kindes und führen zu einer starken inneren Not, die auch im Erwachsenenalter noch nachwirken wird.
Solltest du merken, dass auch in deiner Familie die sozialen Rollen nicht nur kurzfristig, sondern über einen längeren Zeitraum verkehrt werden, dann können Gespräche mit einer fachkundigen Person wirklich vieles aufbrechen und dafür sorgen, dass dein Kind ein kindgerechtes Leben führen darf.
Im Folgenden möchte ich nun noch einmal auf die Perspektive deines Kindes eingehen.
Wie perfektionistisch ist dein Kind?
Um herauszufinden, wie dein Kind über Perfektionismus denkt und ob du es aktiv dabei unterstützen solltest, sein Perfektionismusdenken zu überwinden, kannst du die folgenden Fragen zusammen mit deinem Kind besprechen:
Hast du das Gefühl, dass es wichtig ist, immer der Beste zu sein? Warum?
Was fühlst du, wenn du daran denkst, dass du der Beste bist?
Gab es schonmal eine Situation, in der du das Gefühl hattest der Schlechteste zu sein? Wie war dieses Gefühl? Wie bist du damit umgegangen? Was hat dich gestärkt?
Gab es schonmal eine Situation, in der du nicht mehr weiter wusstest? Woran lag das?
Wie reagieren Mama und Papa, wenn du nicht der Beste bist?
Gibt es Dinge, die dir wichtiger sind, als zu gewinnen?
Hat dich schonmal jemand kritisiert? Wie gehst du mit Kritik um? Magst du Kritik oder möchtest du lieber, dass es nichts an dem, was du gemacht hast, zu verbessern gibt.
Diese Fragen und besonders die Antworten deines Kindes auf diese Fragen sind wichtig, um das Perfektionismusdenken und somit auch dessen Ausmaß individuell zu bestimmen. Wenn du merkst, dass dein Kind eine sehr leistungsorientierte Denkweise hat, die stark durch ein Erfolgsdenken geprägt ist, dann solltest du dem mit einer stärkenorientierten Erziehung (#resilienz #erziehung) entgegenwirken. Wie das genau geht, erfährst du im nächsten Artikel in zwei Wochen!
☼ Let your family shine ☼
Deine Linda
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